Category Archives: Ecopedalo

Ankommen in Potsdam-West

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Seit dem 25.Mai 2012 haben wir nun also die Wohnung in Hannover aufgelöst und sind dabei, in Potsdam anzukommen, und zwar in der – Achtung, Lokalsprech – “CVO35”, der Carl von Ossietzky Straße, Hausnummer 35, “in West”. Angeblich das kinderreichste Haus in der kinderreichsten Straße in einer der kinderreichsten Städte Deutschlands… Das wird u.a. deutlich an der Vielzahl von Kinderanhängern auf dem Hinterhof und in den Foyers der beiden Eingänge, und natürlich an den Kindern selbst, die nachmittags den Garten bevölkern und den Elterngrüppchen die dort abends picknicken.  Hier eine Auswahl von Fotos aus unserer ersten Zeit hier, Erklärungen dazu weiter unten, wenn’s zu schnell geht, einfach auf Pause drücken 🙂

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Potsdam 2. Mietendemo “Recht auf Stadt für alle” – Sommerfest im Projekthaus Babelsberg – ADFC-Sternfahrt mit 100.000 anderen Radlern auf der AVUS – Uni-Sommerfest – Veganes Kochen der Foodcoop Nahrungskette auf dem Uni-Sommerfest mit Tolstoi-Zitat als Motto – Garten in dem Hausprojekt “Paste” – Frank der Demeter-Gärtner unserer neugegründeten CSA liefert: 38 Salatköpfe etc – “West” – Spielplatz in “West” – CVO35 Garten –  Multifunktionsort “Die Platte” in West – Sonnenuntergang Griebnitzsee – Veganes Sommerfest am Wagenplatz auf Hermannswerder – Buntes Segelboot vor Werder  – “Stadt macht Satt”-Projekt mit “unförmigen” Lebensmitteln – zweitgrößtes Braunkohlekraftwerk in Deutschland: Jänschwalde bei Cottbus – Storch vor unserem Balkon – Publikum bei Peer Gynt auf “Der Platte” –  Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) auf dem Telegraphenberg – Summer School am PIK

Cadiz – Caputh mit 30x Regionalzug

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Unsere bisherige Rückreise in Zahlen:  ca. 3000 Bahn-Kilometer auf Regionalstrecken,  mehr als 400 innerstädtisch per Tandem erradelte Kilometer,  49 Tage unterwegs (oder als Ruhetage an einzelnen Orten verbracht),  30 verschiedene (Regional-)Züge, 18 tolle GastgeberInnen. Bei letzteren wollen wir uns hiermit nochmal ausdrücklich bedanken: Herzlichen Dank an Pablo in Sevilla,  bei Daniel&Anna&Marco in Cordoba, bei Lucia und ihren Kleinen in Madrid, bei Acier in Gorriti (bei Donostia), bei Guillaume&Helene&Nais in Bordeaux, bei Meike&David in Montreuil bei Paris, bei Juli&Fabian in Brüssel, bei Judith&Franziskus&Jasper in Roermond, bei Veras Eltern in Kempen und bei Katrin in Essen (letzter Blogeintrag).

Unsere weiteren Rückreisestationen (und vorzüglichen GastgeberInnen) waren dann der Konfetti-Regen im hannoverschen Bahnhof mit Steffi und Ana — danke dafür, wir haben uns sehr gefreut! — einen riesengroßen Dank bei unserem Faktotum Dörte in der List, bei Ines&Heiko&Mattis in Hamburg, bei Ingo&Chris&Fine&Anabel in Steinhude, bei Ana in Linden, bei Florians Eltern im hessischen Braach, bei Kika&Eiko&Manuel&Melina in Ricklingen und jetzt schon einmal zwischendurch bei Annedore&Roland in Caputh bei Potsdam, mit denen wir demnächst ein vegane Fernseh-Kochshow  anbieten werden 😉 (Roland, der Falsche Hase am Ostersamstag war klasse!!) inspiriert wohl auch ein wenig von Albert Einstein, der hier in der Nachbarschaft sein Sommerhaus hatte (dies nur eine von Capuths vielen großen Attraktionen), der selber Tiere auch lieber frei herumlaufen statt in Schlachthöfen und auf  seinem Teller sah. Hier – ganz in orange – unser “Kochstudio”, derzeit noch daheim bei Annedore und Roland, hinter diesen zwei Fenstern im orangenen Haus von Caputh. Dradio (“Essgenuss ohne Tierleid”) und ARTE (“Die neuen Vegetarier”) konnten über Ostern übrigens mit sehr spannenden Themensendungen überzeugen und zeigen, dass eine vielfältige Bioernährung komplett ohne Tierleid auskommen kann. Biovegan sei sogar gesünder für Mensch, Tier und Umwelt (Mitwelt?).  Eine Premiere für mich war vor ein paar Tagen der Besuch in Berlins ersten komplett veganen Supermarkt – veganer Käse aus Soyamilch lässt grüßen!

Nun denn – mal sehen, was in den restlichen drei Monaten unseres Sabbatjahres noch so alles passieren wird!

Bis hoffentlich bald!

Hier noch Fotos vom Caputher Strand, beim Taichi und beim Oster-Lobbyisten-Spaziergang entlang der Büros von Rüstungskonzernen wie  EADS oder Airbus im Berliner Regierungsviertel.

Heimleuchten am Bahnstrom-KKW Datteln 1-3 und “Schwarzbau” 4

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“Heimleuchten” – symbolisch auch für uns, dieser Lichterkette-Aktionsname der Erneuerbare Energien-Bürgerinitiativen und der Klima-Allianz rund um Eons KKW-Blöcke von Datteln bei Recklinghausen. Die Anlagen 1-3 (Foto) produzieren 1 Mio t co2 im Jahr, ausschließlich für die Deutsche Bahn übrigens, deren Energiewende auf der Schiene trotz großer Ankündigungen noch keine Fahrt aufgenommen hat. Der Betrieb der Anlagen 1-3 sollte laut rot-grüner Regierung Ende des Jahres eingeschränkt werden. Durch die anstehenden Neuwahlen wird die Debatte noch einmal einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert werden. Nach dem Urteil eines lokalen Gerichts von 2009 darf die unter Missachtung des lokalen Bebauungsplanes heute  fast fertig gestellte Anlage 4 (8 Mio t co2/Jahr!!) nicht ans Netz. Dieses Urteil wurde noch einmal vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt, und der 2. Jahrestag dieses Urteils wurde gestern mit der Lichterkette gefeiert. Scherzhaft wurde schon über die Nachnutzung der Anlage gesprochen und als Bsp. das Ex-AKW Kalkar herangezogen, auch in NRW: es ist heute als Freizeitpark angeblich sehr beliebt, rund um den Kühlturm geht ein Karussell. Gefeiert wurde auch der Erfolg des Bürgerinitiativen in Krefeld, wo Trianel jetzt von einem KKW abgesehen hat und nun stattdessen ein Gaskraftwerk plant. Sehr gelungen im Übrigen auch der Beitrag der letzten Heute Show zu Fukushima, Angra3 in Brasilien, zur Energiewende allgemein und speziell zu EON (ab Min 13:10, zu den lecken AKW-Fässern in Brunsbüttel schon ab 10:15).

Seit Brüssel hatten wir noch sehr schöne Zwischenstopps in Süd-Holland bei Judith, Franziskus und Jaspar und am Niederrhein bei Veras Eltern gemacht. Unser nächster Stopp ist nun tatsächlich Hannover!

Bunter Themenblumenstrauß im Brüsseler Europaparlament

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Ja was denn nun? Die Debatte im Plenum zu ungleichen Tarifstrukturen, fehlenden weiblichen Firmen-CEOs, Frauenquote in Vorständen und zu vielerorts fehlendem Frauenerbschaftsrecht, also die EU-Debatte anlässlich des Weltfrauentages?    Um 9Uhr zu früh für uns, die wir am Vortag erst so verspätet aus Paris angekommen waren. Die Konferenz “Japan – 1 Jahr nach der Nuklearkatastrophe” u.a. mit dem ehemaligen Fukushima-Gouverneur und Energiewende-Unterstützer  Eisaku Sato? Verpasst, müssen wir nachgucken auf dem Parlaments-TV-Archiv (oder auch in der ZDF Mediathek, im Rahmen des Beitrags “Die Fukushima-Lüge“).  Die Landgrabbing-Tank-statt-Teller-ExpertInnenrunde? Liegt genau richtig in unserem Zeitplan!

Fabian besorgt uns die Besucherausweise und schon sitzen wir drin, in einem der dem Parlamentssaal angeschlossenen Konferenzräume. Wir hören Jean Zieglers Nachfolger Olivier de Schuttler,  UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, in einer Videobotschaft an die an dem Thema arbeitenden ParlamentarierInnen oder deren MitarbeiterInnen, NGO-VertreterInnen, Journalisten, unabhängigen Fachleuten, Banken- und Firmenlobbyisten  von Deutsche Bank, Cargill/Monsanto und Co. (nachzuschauen im Parlaments-TV hier).  Beim Reingehen treffen wir – welch nette Überraschung – Daniel, Veras Zupi-Kollege, der mittlerweile für Friends of the Earth Europe in Brüssel arbeitet und die Studie “Farming Money” mit herausgegeben hat, die das Verwickeltsein der Pensionsfonds von Deutsche Bank, AXA, HSBC, Allianz u.a. in Nahrungsmittelspekulation und eben auch Landgrabs ausführlich beleuchtet. Neben dem Schlagwort “Trog-statt-Teller” (Soja-Futtermittel-Frage) und “Tank-statt-Teller” (Agrosprit 1.0) also auch “Bank-statt-Teller”? Griffige Kampagnen-Slogans dann auch an allen Ecken des Infotischs am Eingang des  Konferenzraums, einer der eindrücklichsten nach wie vor von Foodwatch e.V.: “Hände weg vom Acker, Mann!” mit der entsprechenden Studie zur Deutschen Bank. Oder die interaktive Weltkarte zum Thema Landgrabbing von Inkota e.V. Dann noch die allgemeinen Hinweise zu den (Nachhaltigkeits-)Portfolios aller Banken weltweit, von Banktrack.org, ferner Transparency International und lobbycontrol.org, sowie die Bankenwechsel-Kampagne “Krötenwanderung” von ATTAC, mit der Auswahl sozialökologisch engagierterer Banken. Auch GRAIN war vertreten, jene kleine NGO aus Barcelona, die uns schon dort aufgefallen war, weil sie ausschließlich zu Nahrungsmittel-Souveranität arbeitet und dafür 2011 einer der Alternativen Nobelpreise bekommen hatte. Die rund um uns hinter den Fenstern der Galerie positionierten Simultan-Übersetzerinnen leisteten beeindruckende  Arbeit. In dieser Runde wurde nur innerhalb von drei Sprachen übersetzt, anders als im Parlamentssaal nebenan. Dort konnten wir später alle 27 plus x Übersetzerhäuschen sehen, allerdings war die Debatte zum Weltfrauentag ja schon vorbei. Das Abstimmungsverhalten aller Europaparlamentatierinnen ist übrigens auf www.abgeordnetenwatch.org verfolgbar! Persönlich dann auch per Einladung aus den Reihen der 754 Abgeordneten oder natürlich auch von der Besuchergalerie. Vielen Dank für die Einladung, Fabian, demnächst kommen wir dann mit SchülerInnen!

Bordeaux und Paris: mehrmals ein Dejavu und etwas Neues!

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Bordeaux und Paris: mehrmals ein Dejavu und etwas Neues!

Schöner Wiedererkennungseffekt in Frankreich: Kaum kommen wir bei Guillaume und Helene (und ihrer zweijährigen Nais) an, erklären sie uns, dass sie für das gemeinsame Kochen erst noch zur Verteilstelle ihres Gemüse-AMAP müssten, ob wir denn wüssten was das sei, ein AMAP! Anders als letzten September (vgl. unseren Post “Was ist ein AMAP”), als wir bei Zabou und Yves zu Gast bei der Weinlese waren, die für eine solche Einkaufsgemeinschaft Bioobst produzierten, waren wir diesmal eingeladen, das ganze aus Konsumentensicht zu beobachten: in einer Art Gemeindezentrum waren Kisten verschiedener Wintergemüse aufgebaut, von denen sich Guillaume einen großen Korb (10kg?) zusammenstellen konnte. Ohne vor Ort dafür zu bezahlen. Denn Anfang des Jahres hatte er und andere 20 Familien dem Hof soviel Geld vorgestreckt – 750 EUR pro Partei (je nach Familiengröße) -, so dass auf dem Hof Planungssicherheit für das Jahr herrschte und genau klar war, was produziert werden sollte. Einen weiteren AMAP hat der Hof im Programm und macht evt. auch noch den Wochenmarkt. Nun stellt sich Guillaume jeden Mittwoch einen riesigen Korb zusammen und alle paar Mittwoche hilft er bei der Verteilung. Reingefahren wird das Gemüse von der Vertragslandwirtin selbst, sie ist mal bei dem einen, mal bei dem anderen AMAP bei der Verteilung dabei. (Rob, das beantwortet hoffentlich deine Frage im Kommentar von neulich.) Bei Guillaume und Helene waren wir die ersten Warmshower-Gäste! Beide sind begeisterte Tourenradler, besonders Jordanien habe ihnen zuletzt gut gefallen, was uns an unsere indirekte Tandem-Bekanntschaft, das tandem-nostrum.org, erinnerte, die auf ihrer Mittelmeer-Umrundung gerade in Jordanien sind. Syrien mussten sie leider umfahren… Jetzt mit Nais fahren die beiden fleißig mit Anhänger und überlegen, auf ein Tandem umzusatteln. Nais und Guillaume haben unser Tandem dann auch am nächsten Morgen ausprobiert, als ich sie zur Kinderkrippe radelte. Inspiration hatten sie sich allerdings auch schon vor der Begegnung mit uns gesucht, wie in zwei Tandem-Bildern der Slideshow weiter unten zu sehen ist, die wir aus einer Fahrradzeitschrift bei ihnen abfotografiert haben.

In Paris-Montreuil bei Meike und David mehr Wiedererkennungseffekt: der Gemeinschaftsgarten, den wir letzten April schon kennengelernt hatten, wird nach wie vor kultuviert (diesmal wurde eine Saatgut-Tauschbörse und ein piquenique veranstaltet), Montreuil ist nach wie vor sehr lebendig, hat immer noch seine grüne Bürgermeisterin, und – apropos Politik – der Wahlkampf hat uns wieder! Nachdem er sich schon letzten Herbst in Frankreich angekündigt hatte – und wir zwischendurch spanischen, marokkanischen direkt erlebt hatten, per Radio auch russischen und amerikanischen – ist jetzt die Hochphase vor der Wahl am 22.4. erreicht. Auch all diejenigen, die ihn beeinflussen wollen, arbeiten auf Hochtouren: Meike und ihre französische Sektion der NGO “Climate Action Network” mit ihrer Konferenz zu Energie-Entwicklungs-Szenarien 2050, diejenigen, die an der Vorbereitung der 200km langen Fukushima-Gedenktag-Menschenkette von Lyon nach Avignon am kommenden Sonntag, “three-eleven”, arbeiten (mit Veranstaltungen auch in Paris, Bordeaux und anderen Städten abseits der langen Kette) und natürlich auch die Karikaturisten in den Tageszeitungen (Bsp. davon in der Slideshow unten). Neu, ohne Deja-Vu, war übrigens der Riesen-Wurmkomposter von Ami de la Terre nebem dem Spielplatz, wo alle aus der Nachbarschaft mit ihrem Biomüll die Würmer füttern können. Die Stadt holt dann die Erde ab und nutzt sie für Anpflanzungen.

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Mittlerweile sind wir von Paris mit endlosen Regional-Zugverbindungen und besonders netten belgischen Schaffnern nach Brüssel gereist. Juli fängt heute ihren neuen, unbefristeten (!) Job bei der NGO Health and Environment Alliance an, ihr Freund Fabian ist Assistent einer Europa-Abgeordneten. Nachher – am Weltfrauentag übrigens – bekommen wir das EU-Parlament gezeigt. Nach Straßburg wieder so ein Deja-Vu…

In dem Land, wo Schafsmilch und Berghonig fliesst

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Na, auch schon mal von nem Schafsbock aus naechster Naehe betrachtet worden ?! 🙂 Wir sind seit einigen Tagen mitten in der Hochebene des Baskenlandes und rasten zwischen Spanien- und bevorstehender Frankreich-Durchquerung bei  der alten Couchsurfer-Bekanntschaft Asier in Gorriti. Wir koennen unser Glueck noch gar nicht fassen, wieder in Zentraleuropa zu sein – wir hatten Heimweh nach Weite, nach gefuehlter Unendlichkeit von Land und “echtem Spanien” mit Zuegen! Unsere Zugstrecke Cadiz-Donostia fuehrte uns selig mit allem Gepaeck vorbei an den verschiedensten Landschaften und Ansiedlungen Spaniens. Hier eine von Felsvorspruengen zerklueftete Berglandschaft, am Horizont Schneebedecktes –  dort Ackerlandbau, der schon im Februar gewaessert werden muss. Bis Madrid wurden wir geblendet von tollster Vorfruehlingssonne, ja es gab sogar Laubbaeume, die ihr Laub den gesamten Winter nicht abwerfen … die echte Vitamin-D-Empfehlung nach ein paar Monaten dunklem Winter in Deutschland 🙂 Da noch karnevalistische Suedkueste, jetzt gleich steile Nordkueste. Andalusien, vielleicht typisch spanisch oder doch nur von den Mauren wieder zurueck erobert? Das Baskenland kennen bestimmt viele von euch? Ja, leider genau wie Katalunien: annektiert nach erbitterten Kriegen und Terror beider Seiten.  Asier versuchte es noch einmal verstaendlich zu erklaeren: “Stell dir vor, die EU beschliesst, dass nun alle Franzoesisch als erste Sprache haben, Deutsch sprichste nur noch zu Hause” – natuerlich ist das alles schon 1,2 Generationen her und wenn wir in Castellano (abgeleitet von Kastillien) mit den Menschen hier sprechen ist das fuer sie auch voll ok – aber wir wissen alle, dass manche Wunden der Identitaetsberaubung bei manchen schneller heilen als bei anderen. Wieder ein Grund mehr zur Freude, dass wir in Deutschland unsere Sprache beibehalten durften und nicht gezwungen wurden die Besatzungssprache als Erstsprache zu erlernen!

Als wir, angekommen in San Sebastian gleich die Strecke bis Paris ausgedruckt haben wollten, mussten wir jedoch feststellen, dass das europaeische Regionalverkehrsnetz nicht bis in die Computer Spaniens reicht. Ausserdem wurden wir belustigt angeschaut, dass wir uns so viel Zeit genommen hatten und tatsaechlich von Cadiz aus mit den Zuegen der “Media Distancia” gereist waren. Als ich dann ebenso belustigt konterte, dass wir den Hinweg mit dem Tandem gemacht haetten, konnte ich ein Schlucken am anderen Ende des Mikros hoeren 😉 Nachdem wir 3 Naechte in Madrid verbracht haben, freuten wir uns natuerlich um so mehr wieder auf die Natur wie oben auf dem Bild ersichtlich! Ich wuerde sagen, dass das hier ein kleines Paradies ist: “die baskischen Alpen” und ein paar Kilometer weiter wartet schon das architektonisch schoene, sowie klimatisch ansprechende San Sebastian mit wellentollen Kuesten, ach, ich komm immer wieder gern her 🙂 Warum so zoegerlich mit Madrid? Wahrscheinlich ist es wie mit jeder Hauptstadt: die einen moegen sie, die anderen nicht 😉 – klar gibt es tolle Boulevards, bis zu 8 stoeckige Altbauten, die in der Sonne nur so strahlen, alternative Buchlaeden und sogar vegetarische Restaurants mit durchgaeniger Kueche. … aber der Verkehr 😦 wir haben immer geschaut, dass wir so schnell wie moeglich an einem Springbrunnen oder Park waren, um in der Sonne zu lesen 🙂

Wofuer wir jetzt sonst noch Zeit haben: was uns auffaellt ist unsere Gelassenheit, mit der wir uns durch die Gegend bewegen koennen. Gern mache ich auf der Rolltreppe Platz oder bleibe stehen, wenn eine braun behaarte Raupe den Weg kreuzt! Die Wochen Winterschlaf auf den Kanaren haben ihren Zweck nach gut 5000km Radstrecke erfuellt: wir haben entschleunigt, wir sind hier und jetzt 🙂         Somit ist auch fuer alles Zeit, was uns zufaellig begegnet: so fragte mich eine polnische Erasmusstudentin in Madrid, als sie mich auf einer Bank lesend sah, ob ich fuer sie kurz eine Opernkarte kaufen koenne, da die Karten nur auf Personalausweis verkauft wuerden und sie fuer einen Kumpel noch eine Zusaetzliche brauche. In einem Buchladen wartete ich auf Florian, der zu einer Kundgebung unterwegs war (siehe vorheriger Post) und geriet zufaellig in eine Leserunde: da durch die Krise viele Spanierinnen und Spanier gerade nach Deutschland gehen um dort vielleicht Arbeit zu finden, ist das Interesse,

unsere Sprache zu lernen natuerlich auch gewachsen: so sass ich dort mitten in einer kleinen Runde und las 5 Saetze aus meiner aktuellen Lektuere. Einmal auf Hochdeutsch und einmal so richtig schoen “Huesch-Niederrheinisch” … danach wurde befunden, dass ich emotionaler sprach, als ich mich im SingSang erprobte 😉 Bei einer kleinen Radtour am Sonntag fiel mir auf einmal ein weinendes Maedchen in den Schoss – ich konnte sie wiegen, bis ihre Mutter auftauchte. Ja, einfach da sein 🙂 Letzten Freitag kamen wir in die unglaubliche Gemuetlichkeit bei Asier – das schon erwaehnte Dorf Gorriti lag mitten im Nebel und Restschnee 🙂 und dies 2 Tage lang (!!) erst am Montag gab der Nebel die atemberaubende Landschaft wieder frei – was wir gestern gleich genutzt haben, um gute 40km bergab nach San Sebastian zu radeln! Voll gut, einfach eine Radtour ohne gross Gepaeck und Anhaenger 😉 Morgen packen wir wieder alles zusammen und reisen ueber Bordeaux nach Paris/Montrieul. Wir freuen uns schon !! … neue Bilder in der “Reisegallerie”

Madrid: Puerta del Sol, Franquismo und Kinze Emme

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Madrid, die weltweit bekannte Puerto del Sol. Nachdem auf diesem Platz letzten Mai tausende Menschen wochenlang kampiert und zahlreiche Buergerversammlungen (Asambleas) abgehalten haben, um progressive Gesetzgebung gegen Finanzspekulation, Korruption und sozialen Ausgleich auf den Weg zu bringen, wird er auch der spanische Tahrir-Platz genannt. Die immer noch regelmaessig stattfindenden Asambleas sind mittlerweile zwar in die Vororte gezogen, um so naeher an den Leuten dran zu sein, trotzdem finden noch zentrale Kundgebungen am laufenden Band statt. So wie letzten Donnerstag. Um 19 Uhr trafen sich alle Unterstuetzer von Balthasar Garzon, jenem Richter, der gerade selber unter Anklage steht, weil er ein Verfahren zur Untersuchung der Verbrechen der Franco-Dikatur  eingeleitet hatte, obwohl dies unter dem 1977 verabschiedeten Amnestiegesetz verboten ist. Hinterbliebene trugen Bilder von verschwundenen Familienmitgliedern mit sich, waehrend mehrere Runden um das Reiterdenkmal auf dem Platz abgeschritten wurden. Immer wieder ein Halt vor dem Rathaus, rhythmisches Rufen: “In diesem Haus wurde gefoltert!” Auch Amnesty und Human Rights Watch fordern mittlerweile die Abschaffung des Amnestiegesetzes, das damals  den friedlichen Uebergang von der Diktatur zur Demokratie unterstuetzen sollte, heute aber eine Aufarbeitung der Verbrechen verhindert. Insgesamt haben die Gegner Garzons drei Prozesse gegen ihn angestrengt (oder besser “konstruiert”, wie seine Anhaenger sagen wuerden). Er selber hat bereits angekuendigt, notfalls am Europ. Gerichtshof fuer Menschenrechte in Berufung zu gehen. Im zweiten Prozess wurde heute das Urteil verkuendet, Details darueber und auch ueber den ersten Prozess finden sich in diesen zwei Guardian-Artikeln, einmal hier: http://www.guardian.co.uk/world/2012/feb/27/baltasar-garzon-cleared-franco-crimes und hier: http://www.guardian.co.uk/world/2012/feb/09/spain-judge-baltasar-garzon-suspended (dort auch immerhin ein Foto von der Kundgebung, meine Fotos kann ich gerade nicht gut hochladen, kommen spaeter nach – aehnlich problematisch auch die spanische Tastatur, die wieder einmal gruessen laesst)

Gleich nach den Garzon-Unterstuetzern, um 20 Uhr, ging es mit 15M weiter auf dem Platz. “Kinze Emme”, die Graswurzelbewegung, die den “arabischen Fruehling” in einen “europaeischen Sommer” verwandelt hat, mit Nachwehen bis in den Herbst hinein (vgl. unseren Post vom 15.Oktober) und in die daraus entstandene “Occupy”-Bewegung weltweit, insbesondere in Chile, England, Israel und Griechenland. 15M hielt den Sommer ueber zig Plaetze in Spanien besetzt, um die Debatte ueber soziale Gerechtigkeit, Finanzmarktregulation, Transparenz und Partizipation oeffentlich zu fuehren. Am letzten Donnerstag lag der Fokus wieder auf ungezuegelter Finanzmarktspekulation und Kuerzungen an falscher Stelle (“Wir bezahlen nicht fuer eure Krise”), auf Nahrungsmittelspekulation (die  “Haende weg vom Acker” foodwatch-Kampagne, aber auf Spanisch) und auf einem Set moeglicher Finanzmarktregulierungen wie die Tobin Tax (Attac, angeblich auch Merkozy), oder die zuletzt von Obama in seiner “Rede an die Nation” im Wahlkampf angepriesene (Warren) Buffett-Tax (angemessener Steuersatz fuer die Top 1%) oder die Volcker-Rule (die u.a. die Groesse von Banken beschraenkt). Das Video des Traders Rastani, der auf BBC gestand, er haette sich schon lange eine solche Krise ertraeumt und alle Rettungspakete seien sowieso zum Scheitern verurteilt (vgl. Griechenlandpaket von heute), schien somit wieder im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. (Zum Anschauen des Rastani Interviewausschnitts hier: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bbc-interview-als-internet-hit-das-wahre-gesicht-des-kapitalismus-1.1151390.) Auf dem Platz kam mir auch noch einmal das Pamphlet in den Sinn, mit dem der 15M letzten Mai so bekannt geworden ist, dass es dann auch vom Resistance-Veteranen Stephane Hessel in seinem “Empoert euch!”-Bestseller aufgenommen worden ist: “Wir sind normale Menschen. Wir sind wie du: Menschen, die jeden Morgen aufstehen, um studieren zu gehen, zur Arbeit zu gehen oder einen Job zu finden, Menschen mit Familien und Freunden. Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, um denjenigen die uns umgeben eine bessere Zukunft zu bieten. Einige von uns bezeichnen sich als aufklärerisch, andere als konservativ. Manche von uns sind gläubig, andere wiederum nicht. Einige von uns folgen klar definierten Ideologien, manche unter uns sind unpolitisch, aber wir sind alle besorgt und wütend angesichts der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektive, die sich uns um uns herum präsentiert: die Korruption unter Politikern, Geschäftsleuten und Bankern macht uns hilf- als auch sprachlos. Und diese Situation ist mittlerweile zur Normalität geworden – tägliches Leid, ohne jegliche Hoffnung. Doch wenn wir uns zusammentun, können wir das ändern. Es ist an der Zeit, Dinge zu verändern. Zeit, miteinander eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Deswegen treten wir eindringlich hierfür ein:

● Gleichheit, Fortschritt, Solidarität, kulturelle Freiheit, Nachhaltigkeit und Entwicklung, sowie das Wohl und Glück der Menschen müssen als Prioritäten einer jeden modernen Gesellschaft gelten.

(weiter hier: http://www.echte-demokratie-jetzt.de/manifest)

Sevilla: Semana de la Sostenibilidad

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Fotostream Reihenfolge:  Aus dem Rahmen fallen in Cadiz (Endlich Festland!) – Gastgeber Pablo in Sevilla (“Titiribici”) – 2x Sevilla Architektur – Sevilla Fahrradstation – Solartürme – Dokufilmreihe in Sevilla Eröffnungsfilm – Tandem aus England – Sechs Fotos aus der Ausstellung  “40 Lösungen für die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen” – Birgits “Das Brot”-Laden – Biofriseur umgedeutet – Sevilla Klapp-Radler

In Sevilla konnten wir heute den Beginn der “Semana de la Sostenibilidad” (Woche der Nachhaltigkeit)  erleben. Eine Woche voller Filme, Debatten und Theater. Gleich zu Anfang der erste Höhepunkt: “Taking Root“, eine faszinierende Dokumentation über die 2011 verstorbenene erste kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai. Anhand ihres Beispiels fingen zigtausende Kleinbäuerinnen an, ihre Bürgerrechte wahrzunehmen, sei es in Form von Akten zivilen Ungehorsams (allen voran der Hungerstreik der Mütter inhaftierter Regimegegner), sei es  in Form von  Bäumepflanzen,um die durch Monokulturen von Kaffee und Tee hervorgerufene Erosion des kenianischen Mutterbodens einzudämmen. So verknüpfte sie Demokratie-, Frauen- und Umweltbewegung in Kenia und leitete so das Ende der Moi-Diktatur ein. 2005 erhielt sie dafür den Friedensnobelpreis (hier ihre Nobel-Rede).  Deutschlandradio brachte letzten September diesen Nachruf. Noch viel mehr Bäume, und das weltweit,  will der Gast der ersten Debatte heute abend pflanzen. Er ist 13 Jahre alt und heißt Felix Finckbeiner.  Die von ihm angeregte, mittlerweile von Kindern in mehr als 175 Ländern getragene Initiative heißt “Plant for the Planet” und wird nun auch von der UNO mitgetragen. Ihr “Baum-o-meter” hat gerade 12 Milliarden überschritten (!!!), kurz vor dem Zwischenziel von 14 Milliarden.  “Klimagerechtigkeit – jetzt!” und “Genug geredet – pflanzen!”  sind zwei ihrer Leitsätze. Leider konnten wir nach dem Film die Debatte mit Felix nicht mehr besuchen, weil wir schon bei der nächsten Couchsurfer-WG in Cordoba angemeldet waren, aber dafür noch eine Ausstellung im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche besuchen wollten (siehe Fotos).  Acht Kids meiner ehemaligen Schule hatten allerdings schon mal die Gelegenheit an einer Plant for the Planet Akademie im Harz teilzunehmen, wovon sie sehr begeistert und mit der Erfahrung ihres ersten (und bestimmt nicht letzten) Bäumepflanzens zurückgekommen waren. Neben Plant-for-the-Planet  gibt es übrigens auch Wikiwoods, die in Deutschland beim Pflanzen sehr aktiv sind, insbesondere in Meckpomm und Berlin-Brandenburg!

Sevilla ansonsten fiel unter ökologischen Aspekten vor allem durch sein florierendes Fahrradleihsystem auf, einige Einkaufskooperativen, mehrere urbane Gemeinschaftsgärten, ein von Slow Food ausgezeichnetes Bio-Restaurant,  das sogar die Gerichte mit den geringsten “food miles” kennzeichnete (also jenen Gerichten, deren Zutaten aus einem maximalen Umkreis von 140km rund um Sevilla stammten), und, natürlich, die einzigartige Biovollkornbäckerei von Birgit, so sehr nachgefragt, das den Einheimischen der zwar sehr eingängliche aber auch sehr deutsche Name der Bäckerei nichts auszumachen scheint:  “Das Brot”!  (Birgit hatten wir übrigens schon auf dem Hinweg in ihrem Wohnort/ihrer Backstube bei Tarifa besucht, es war also ein Wiedersehen!) Weltberühmt sind die Solarparks rund um Sevilla, weil sie Pioniere in der Solarturm-Technologie sind (siehe Foto). Auch findet  die neugegründete Partei “Equo” hier viel Unterstützung, was sich schon in den Parlamentswahlen letzten November zeigte und sich nun vielleicht auch in den anstehenden andalusischen Regionalwahlen bestätigen wird. Die Wahlveranstaltung letzten Donnerstag in der Uni war jedenfalls gut besucht. Fahrradstellplätze sind in der engen historischen Altstadt allerdings rar (von den Radstationen des öffentlichen Leihsystems abgesehen), deshalb fahren viele Bewohner auf Klapprädern, die sie bequem in die Whg mitnehmen können. So viele Klappräder auf einmal – ein seltener Anblick!

Die Fahrradbegeisterung Sevillas äußerte auch über unsere Gastgeber: das Tandem Nostrum, aus Sevilla, das seit letzten Februar im Uhrzeigersinn  rund um das Mittelmeer radelt, vermittelte uns den superfreundlichen  “Marionetten-Radler” Pablo, genannt  “Titiribici“, der nach seiner Indonesien-Tour demnächst auch Südamerika mit seinem Puppenanhänger  durchradeln wird! Die Stadt zog neben uns auch ein anderes tourendes Tandem an, auf der Reise von England nach Israel (wo die Mittelmeer-Umquerer Tandem Nostrum gerade in Begriff sind anzukommen ), zufällig trafen wir uns in der Fußgängerzone! Sevilla zählt zu den wärmsten und trockensten Orten auf der Halbinsel,  es kam uns  dieser Tage sogar wärmer vor als die windigen Kanaren. Hier fühlen sich 20 Grad wirklich als 20 Grad an, und das im Februar 🙂 Von Reisen im Sommer ist für Menschen, die auf Hitze zwischen 30-40 Grad empfindlich reagieren, allerdings eher abzuraten (“lebensfeindlich” nannte es ein anderer Radler, “BikeFriday”, den wir letzten September in Südfrankreich trafen, der uns aus Spanien entgegenkam). Laut unserem Gastgeber Pablo beginne der Sommer hier auch immer früher, sprich im April oder Mai und ginge in den Oktober hinein. Frühling (aus einheimischer Perspektive) also Fehlanzeige. Anscheinend haben wir also jetzt die beste Reisezeit erwischt! Auch wenn die Sevilleros halb vermummt daherlaufen haben wir noch mal Sonne getankt und  die arabischen Fassaden und Innenhöfe, die Palmenalleen und Plätze genossen. Hin und wieder konnten wir sogar Flamenco-Geklacker von TänzerInnen hören, die draußen trainierten! Unsere nächste Station ist jetzt Cordoba, anschließend Madrid und San Sebastian. Muchos saludos und bis bald!